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Domenicas Beisetzung im

" Garten der Frauen "

 

 

Im alten Teil des Ohlsdorfer Friedhofes beim Wasserturm, nahe der Cordes-Allee, befindet sich der Ort, an welchem Frauen, die Hamburgs Geschichte auf die verschiedensten Weisen mitgeprägt haben, gedacht wird.

Diese, vom Verein Garten der Frauen e. V. gegründete und getragene Gedenkstätte, bietet einerseits Raum zur Bestattung von Frauen und andererseits werden hier alte Grabsteine, die zur Erinnerung an Frauen gesetzt wurden und deren Nutzungsdauer abgelaufen ist, neu aufgestellt.

 

Eine Nachbarin hatte Geburtstag gefeiert, und es war hoch her gegangen, laut und lustig. Und sie sagte: "Ich habe keine Familie. Ich werde allein sein." Aber dann war ihr Haus zum Geburtstag doch voll, denn Freundinnen waren gekommen, auch ganz alte, aus Köln, wo sie einmal ein bürgerliches Leben geführt hatte, Buchhalterin gewesen war und auch einmal verheiratet. Ihr Ehemann hatte sich das Leben genommen. Domenica hat nie über ihn gesprochen.

Sie hatte keine Familie. Ihr Vater, ein Italiener, hatte ihre Mutter immer wieder verprügelt. Die Mutter versuchte sich alleine durchzuschlagen, mit Kartenlesen, Taschenspielereien. Offiziell hieß das Betrug. Domenica und ihr Bruder Amando kamen in ein Heim. Das war damals die Höchststrafe für Kinder. Sie lebte nun bei den Nonnen. Nur die kleine Schwester blieb bei der Mutter.

Die Leute in Boos schickten ihr zum Geburtstag ihre Musikanten. Das hat Domenica sehr gerührt. Aber dann musste sie doch wieder zurück nach St. Pauli, Talstraße, wieder mitten hinein in den Kiez.

Quertreiberin im Rotlichtmilieu

Domenica war eine Berühmtheit. Sogar auf Ibiza haben sich die Leute umgedreht und getuschelt. "Das ist doch die Domenica, aus der Herbertstraße in Hamburg." Mit ihrer starken Oberweite in der eng geschnürten Korsage, so wie sie der Fotograf Günter Zint fotografiert hatte. Sie wurde zur Ikone des Kiezes.

Doch dort war sie eine Quertreiberin gewesen, eine Aufwieglerin, die den Mädchen sagte, dass sie gegen die Zuhälter aufbegehren sollten, dass sie die Typen doch nicht brauchten. Das hat Domenica bei den Luden nicht sehr beliebt gemacht. Aber sie wusste, wovon sie redete. Der berühmte Hanne aus der noch berühmteren "Ritze" hatte Domenica damals nach Hamburg geholt. Sie sprach später nicht gut über ihn.

Großes Herz, schwache Lunge

Mit Männern hatte sie da nicht mehr viel am Hut. Immer wurden irgendwelche Kerle anzüglich, versuchten sie zu betatschen. Auch als sie schon älter geworden war.

Und auch krank. Sie hatte schweren Zucker und immer diesen Husten, der sie so oft zu ersticken drohte. Und es war jetzt die schwache Lunge, die Domenica nicht länger leben ließ. Sie hatte gesagt: "Wenn der Herrgott mich denn will, komme ich."

Ich erinnere mich an den Moment, als sie dem Maler Robert Höfling, der sie so gerne portraitieren wollte, Modell stand. Sie war in den Tagen sehr gelöst, aus allem raus. Da fiel ein Sonnenstrahl durch das Fenster auf ihr Haar, das sie immer streng als Knoten trug. Sie hatte ein entspanntes Gesicht. In dem Moment war Domenica eine Madonna.

Seit dem 11. März dieses Jahres ist hier auch Domenica bestattet. Neben dem Grab der ehemaligen Theaterintendantin Gerda Gmelin, ziemlich am Eingang des Gartens, wird bald der 39. Grabstein des Gartens der Frauen stehen, der ihr – ihr bürgerlicher Name war Anita Niehoff (geb. 3. August 1945 in Köln, gest. 12. Februar 2009 in Hamburg) – gewidmet ist.

Entworfen wird das Grabmal von einem ihrer Freunde, dem bekannten Künstler Tomi Ungerer. Nicht nur für ihn war die am 12. Februar im Alter von 63 Jahren verstorbene "bekannteste Hure Deutschlands" Muse und Inspirationsquelle. Nicht selten schmückten sich Protagonisten aus Kunst und Kultur mit der Frau, an deren Seite anderntags ein Photo in der Presse so gut wie garantiert war.

Und dennoch stand Domenica für einen Berufszweig, der mit Begriffen wie schmutzig oder liederlich assoziiert wird, bis heute als gesellschaftlich nicht opportun und unwürdig gilt und trotzdem einen großen Markt bedient. Diese Dialektik aufzubrechen, hatte sich Domenica zur Lebensaufgabe gemacht. Seit Ende der 70er Jahre nutzte sie ihre aufkommende Medienpräsenz als Plattform für ihr Ringen um Anerkennung und Legalisierung der Prostitution.

Domenica Niehoff, die Domina, die Vorkämpferin für die Rechte der Prostituierten, die Streetworkerin, die bis zu ihrem 14. Lebensjahr in einem katholischen Waisenhaus aufwuchs, war eine "Hure bis in ihr großes träges Herz", so der Schriftsteller Wolf Wondratschek, eine Frau, die nur aus Herz bestand, die nur an andere gab und darüber hinaus oft sich selbst vergaß, so der Tenor aus ihrem Freundeskreis.

Domenica hat den Frauen, die ihren Körper – aus welchen Gründen auch immer – verkaufen und dafür diskriminiert werden, ihre Stimme geliehen, für sie ein Stück Würde erkämpft. Diese Frau, für viele Männer die personifizierte Erfüllung ihrer geheimsten Sehnsüchte, für Andere die "Königin der Reeperbahn", für Dritte nichts weiter als eine ordinäre Hure, sagte von sich selbst: "Ich war nicht schön. Ich war schlimmer."

Ihre Freundin Martina de Ridder sagte in ihrer Trauerrede in der St. Pauli-Kirche: "Natürlich warst Du schön. Sehr schön sogar. Dein ebenmäßiges Gesicht, die Melancholie Deines Blickes, die besondere erotische Ausstrahlung [...]"

 
Die rote Schmuckurne für die Asche von Domenica Anita Niehoff wurde gestaltet von der Hamburger Künstlerin Bettina Ulitzka-Allali
Foto: Günter Zint
Schmuckurne

Domincas Urne ist herzförmig. Geziert mit einer roten Schleife. Anmutig, ebenmäßig und sehr schön.

 

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Das ist Charlotte", sagte Domenica. Sie hatte für die Obdachlosen Matratzen in ihrer Wohnung ausgebreitet, da lag nun die alte Frau neben dem Akkordeon, auf dem sie sich tagsüber am Fischmarkt ein paar Groschen zusammenspielte. Es waren so viele, die Domenica an ihren großen Busen nahm. Für den stummen Sascha hatte sie ein verstellbares Bett aus dem Krankenhaus besorgt. Er hatte sonst niemanden. Aber am Ende haben die Drogen ihn getötet. Oder dieses Mädchen vom Drogenstrich, ohne Arme. "Sie kann sich doch gegen keinen Freier wehren", hatte Domenica gesagt. Aber dann stand die Kleine doch wieder am Bordstein.

Mit der Thermoskanne auf den Drogenstrich

In Domenicas Wohnung türmten sich die Säcke mit Klamotten, die sie überall sammelte. Jeder konnte sich bedienen. Und viele kamen. "Mach doch mal deine Handtasche zu", habe ich gesagt. Aber die Taschen waren immer offen. Sie machte jeden Schein klein und verteilte ihn. Und so viele kamen und hielten die Hand auf. Jeder auf St. Pauli wusste, Domenica gibt.

Immer wieder nahm Domenica die Mädchen mit zu sich, vor allem in der Zeit, als sie mit ihrer Thermoskanne voll Kakao über den Drogenstrich von St. Georg ging. Da war sie Sozialarbeiterin. Die Mädchen freuten sich, denn Domenica verstand sie. Sie wusste, was der Strich bedeutet. Für die Mädchen konnte sie durch Wände oder geschlossene Türen gehen, und wenn es Knasttüren waren. Domenica stieg mit ihnen auch in ihre Höllen hinab. Das hat auch die Mutter vom Kiez nicht unbeschadet überstanden.

Sie wollte immer ein Haus für die Mädchen haben. Wo sollten sie denn hin, wenn sie aus dem Knast kämen? Das hatte Domenica oft gesagt. Sie ist dafür immer wieder bei den Behörden vorstellig geworden. Doch die Stadt hatte kein Haus für Domenica und ihre Drogenmädchen.

Traum vom bürgerlichen Leben

Zum Vorbild aber wollte sie sich von den Mädchen nicht machen lassen. "Nein", hat Domenica gesagt, "ich hätte lieber ein anderes Leben gewählt."

Manchmal, wenn wir zusammensaßen, wie im Urlaub auf der Dachterrasse auf Ibiza, wenn sie stundenlang aufs Wasser sah und entspannen konnte, dann sprach sie auch darüber, wovon sie geträumt hatte. "Ich hätte auch gerne einen Mann gehabt", sagte sie. Einen der zu ihr hält. "Aber welcher Mann würde sich schon mit mir ins Restaurant setzen." In solchen Momenten hat sie auch darüber gesprochen, dass sie gerne Kinder gehabt hätte, als sie noch jünger war. "Aber das Schicksal", hat sie gesagt, "hat es anders vorgesehen." So nahm sie ihr Leben lang andere als ihre Kinder an.

Als sie 60 wurde, da lebte sie in Boos in der Eifel in dem Haus, dass ihr der verstorbene Bruder hinterlassen hatte. Sie hatte eine Pension aufgemacht, setzte auf Motorradfahrer, die zum Nürburgring fahren würden. Denn sie redete gerne und viel mit Leuten.

Sie zog aber bald wieder nach Hamburg zurück. 

 

 
 

 

 

 

 

Domenica-Anita Niehoff
Geboren am 03.08.1945
Gestorben am 12.02.2009

19.194 1.007 358

Zurueck zur Gedenkstaette Erstellt am 15.01.2010,
Erstellt von Lilly McCloud

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